Objekte der Völkerkundesammlung

Die Gesellschaft für Geographie und Völkerkunde nimmt an der Auslobung von 200.000  € für zehn Projekte teil.
Auf Grund des 200-jährigen bestehens der Sparkasse zu Lübeck wird dieses Preisgeld an gemeinnützige vereine vergeben.
Am 30.05 erschien der Bericht zu unserem Vorhaben.

Unser Beitrag zum LN Artikel vom 17.März 2017 "Völkerkunde: Fr. Weiher will kleine Lösung"

Zum Artikel „Völkerkunde: Weiher will kleine Lösung“ in den Lübecker Nachrichten vom 17. März 2017
Ein Beitrag von Renate Kastorff-Viehmann

Klein aber fein – doch immer noch weitgehend ungeliebt.

Zunächst einige Daten um Missverständnisse hinsichtlich der Völkerkundesammlung zu beheben : Nicht 2 600 sondern 26 000 Objekte umfasst derzeit die Lübecker Völkerkundesammlung, die aufgrund des Alters mancher Objekte, ihrer Entstehung (gesammelt und gestiftet von fast 1 000 Lübecker Bürger und Bürgerinnen) und ihrer Schwerpunkte (nicht allein Kultgegenstände sondern auch viele Objekte, die Alltagsleben dokumentieren) einen hervorragenden Ruf genießt.

Die Völkerkundesammlung wurde 1934 in einem Paket mit der Kunstsammlung und den anderen kulturgeschichtlichen sowie naturwissenschaftlichen Sammlungen von der Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit an die Stadt Lübeck veräußert, da die GEMEINNÜTZIGE in der Weltwirtschaftskrise finanziell nicht mehr in der Lage war den Museumsbetrieb aufrecht zu erhalten. Als die Bomben zu Palmarum 1942 auch das Museum am Dom trafen, wurden ca. 20% der Völkerkundesammlung zerstört. Das Dom-Museum, 1893 eröffnet und unter großer finanzieller Beteiligung der Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit vom Staat Lübeck gebaut, war unter anderem Haus des ebenfalls 1893 gegründeten Völkerkundemuseums. Die erhaltenen Objekte wurden in einen Bunker auslagert und ab 1952 im Hamburger Museum für Völkerkunde untergebracht. Zur Abgeltung der Kosten versprach man den Hamburgern das eine oder andere Objekt.

Was die Rückführung betrifft, erwies sich die Kulturverwaltung in den folgenden Jahren als recht zäh, obwohl schon 1960 auf dem Stiftungsfest der GEMEINNÜTZIGEN gefordert wurde: „Lübecks völkerkundliche Sammlungen müssen wieder zurück in die Hansestadt“. Der Museumsdirektor Fritz Schmalenbach schrieb 1960 in seinem Sachstandsbericht, dass die Unterbringung der Völkerkundesammlung zu den drei wichtigsten zu lösenden Problemen zähle. Aber erst im Dezember 1969 kam die Sammlung zurück – in Räume einer leerstehenden Schule in der Julius-Leber Straße. Dies, nachdem die Hamburger 1969 „Druck gemacht“ hatten, in der hiesigen Presse über „Lübecker Kostbarkeiten“, die in einem Hamburger Depot schlummerten, mehrmals berichtet worden war und ein Schwager von Richard Karutz (erster Direktor der Völkerkundesammlung) ein Legat von 50 000 DM für die Völkerkundesammlung machte. Der Senat beschloss im April 1969 schließlich die Rückführung.

Zwar wurde schon 1970 ein Wissenschaftler zu Betreuung der Völkerkundesammlung eingestellt, aber es fehlten Ausstellungsräume. Die Forderung wieder ein Völkerkundemuseum zu eröffnen, blieb im Raum. Der Kulturausschuss beschloss im Dezember 1977 den Ausstellungsbetrieb wieder aufzunehmen; der damalige Bürgermeister, Herr Robert Knüppel, war dem Ansinnen gewogen. In dieser Situation stellte Herr Rudolfo Groth der Stadt eine Schenkung in Höhe von 500 000 DM zur Restaurierung des Zeughauses für kulturelle Zwecke in Aussicht. Mit Beschluss vom 29. Januar 1981 nahm die Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck diese Schenkung an; 1985 kamen aus dem Testament von Rudolfo Groth weitere 200 000 DM hinzu. Gemeinsam mit Bundesmitteln, Landesmitteln und städtischen Mitteln standen schließlich für die Restaurierung des Zeughauses als Haus der Völkerkunde mehr als 1,4 Millionen DM zur Verfügung. Zuerst 1985 im Erdgeschoss, 1988 im Obergeschoss des Zeughauses standen endlich wieder Ausstellungsflächen zur Verfügung.

Aber schon ab 1990 begannen die Kürzungen: Die Stelle der Leitung der Völkerkundesammlung ging an das Buddenbrookhaus, die Sammlung konnte nur noch „mit halber Kraft“ betreut werden. Nichts desto trotz gab es weiterhin sehr erfolgreiche und interessante Ausstellungen und viele Aktionen mit und für Kinder. Aber es half nichts, das Völkerkundemuseum wurde wie eine Art „Steinbruch“ behandelt und die Stelle zur Betreuung des Depots ebenfalls eingespart. Im Jahr 2002 beschloss die Bürgerschaft schließlich den Ausstellungsbetrieb einzustellen. Perspektivisch wurde damit das Zeughaus – rund 20 Jahre vorher mit umfänglichen Mitteln von Bund, Land, Stadt und Rudolfo Groth für die Völkerkundesammlung hergerichtet - dieser Zweckbestimmung entzogen, in den vergangenen vier Jahren sogar über Verkauf, Umzug des Depots in völlig ungeeignete Räumlichkeiten und Folgenutzung als Standesamt diskutiert. Was sich jedoch zerschlagen zu haben scheint, abgesehen von Umbauten für zunächst Schul- und dann Büroräume im 1. Obergeschoss.

Nachdem die Gesellschaft für Geographie und Völkerkunde bis 2006 den Museumsservice übernommen hatte, kam 2007, nachdem auch die Verwaltungsstelle radikal gekürzt wurde, das endgültige Aus. Gespart wurde damit insgesamt wenig, denn die alle Aktivitäten der Völkerkundesammlung wurden regelmäßig durch Lübecker Stiftungen oder andere Sponsoren mitfinanziert. Geschätzt waren es vielleicht 20 000 Euro pro Jahr, die von der Stadt weniger ausgegeben wurden - nur Petitessen im Vergleich zu Millionenprojekten in St. Annen während der letzten zehn Jahre, wo die Völkerkundesammlung mit ihren Ausstellungen zu Gast war.

Aktuell ist das Interesse an der Völkerkundesammlung wieder gewachsen – ganz im Sinne der Mitglieder der Gesellschaft für Geographie und Völkerkunde. In den Stimmen, die sich über die Zukunft der Sammlung oder „um die Völkerkunde im Holstentor“ äußern, wird die Geschichte des Völkerkundemuseums jedoch meist vernachlässigt und oft übergangen, wie reich und vielfältig die Sammlung ist. Zu unterschiedlichsten Aspekten konnten Ausstellungen und Aktionen gestartet werden – immer mit viel Zuspruch beim Publikum und sehr preiswert: um über Lübecks Kontakte in alle Welt in nachhansischer Zeit zu erzählen, um über andere Kulturen zu informieren, um deren Kunst als Teil der Weltkunst zu zeigen, um Kulturvergleiche wie z. B. mit der „Weihnachtsausstellung“ zu tätigen, um Kinder über museumspädagogische Aktivitäten an Lebenswelten in anderen Teilen der Welt heran zu führen, aber auch um auf Fragen wie Globalisierung, Integration oder Kolonialismus zu reagieren - um nur einige Themen zu nennen.

Dankenswerter Weise will sich Frau Senatorin Weiher offensiv für die Erhaltung der Stelle des / der Kuratorin der Völkerkundesammlung einsetzen – wie sie im o.g. Artikel erklärt. Aber trotz der von ihr sicherlich erkannten Potenziale der Sammlung wagt Frau Weiher keine „große Lösung“: Weder was die Rückkehr ins Zeughaus als Haus der Völkerkundesammlung angeht noch was eine neue Verortung in den Baulichkeiten der Bundesbank am Holstenplatz betrifft, für die sich die Lübecker SPD bzw. Jan Lindenau, der Bürgermeisterkandidat der SPD, stark macht. Und zwar als Wissensspeicher, Schaumagazin, Forschungs- und Ausstellungsraum, nicht nur aber auch für die Völkerkunde.

Und, seien wir ehrlich, die versprochene „Völkerkunde im Holstentor“ (mit 400 qm Ausstellungsfläche) als ein Thema neben der Geschichte von Tor und Stadt, das kann doch kein Ersatz für das Zeughaus sein. In das über Jahrzehnte viel Kraft und Geld von Lübecker Bürgern, Bürgerinnen, Vereinen und Stiftungen mit der Zweckbestimmung Völkerkundesammlung investiert wurde. Wir, d. h. die Mitglieder der Gesellschaft für Geographie und Völkerkunde zu Lübeck, hoffen auf eine große Lösung. Als ersten Schritt schlagen wir vor, dass sich die Senatorin, der zukünftige Bürgermeister oder die zukünftige Bürgermeisterin und die Bürgerschaft für den Erhalt und die Pflege der Völkerkundesammlung und für ein Völkerkundemuseum aussprechen – wie es ja in der Vergangenheit geschehen ist.

Renate Kastorff- Viehmann

Vorsitzende der Gesellschaft für Geographie und Völkerkunde zu Lübeck