Landeshauptstadt, Konkurrentin in puncto Wirtschaft und Hafen, eine völlig andere Stadtarchitektur: Kiel ist gerade für Lübecker immer eine Reise wert, sagte sich die Gesellschaft für Geographie und Völkerkunde und organisierte am 19. Oktober 2017 eine Gruppenfahrt an die Förde, bei der es nicht nur um Sehenswürdigkeiten gehen sollte, sondern auch um das, was die Einheimischen „umtreibt“. Gleich am Hauptbahnhof wird die Gruppe von dem versierten und beredten Kieler Stadtführer Uwe Trautsch an den Matrosenaufstand von 1918 erinnert, der Kiel zum Ausgangspunkt für die Entwicklung demokratischer Verhältnisse in ganz Deutschland machte.
Gleich beim Hauptbahnhof legen auch die großen Fähren nach Schweden ab. Wie wichtig Kiel die Fährgäste sind, zeigt sich auch daran, dass die Stadt für sie extra eine Fußgängerbrücke über die Förde bauen ließ, damit die Passagiere der Norwegen-Fähre auf der anderen Fördeseite auch bei kurzen Liegezeiten bequem zum Hauptbahnhof und vor allem zum „Shoppen“ in das benachbarte Einkaufszentrum gelangen können.
Vorbei an der abstrakten Skulptur „Seewind“ aus Chromnickelstahl-Röhren und nach einem Blick auf die große Werft auf der anderen Fördeseite führt Uwe Trautsch die Gruppe dann zu einer Baustelle am Rande der früheren Altstadt, die im Zweiten Weltkrieg fast total zerstört wurde. Hier werden nun viele schnell hochgezogene Neubauten aus den Nachkriegsjahren abgerissen und durch Neuplanungen ersetzt. Dazu gehört auch die Gestaltung eines neuen Kanals zwischen den Wasserflächen des Bootshafens und des Kleinen Kiels. Diese Neugestaltung der Innenstadt geht sogar so weit, dass dabei eine ganze Straße verschwindet. In der Holstenstraße, der ersten Fußgängerzone Deutschlands, sind dagegen immer noch gelungene und missglückte Versuche zu erkennen, die Stadt nach Kriegsende schnell wieder aufzubauen und mit Leben zu erfüllen.
Die Stadtführung endet am Alten Markt. Der kleine Platz macht deutlich, dass Kiel zu einer Zeit, als Lübeck bereits europaweit vernetzt war, nur eine regionale Rolle spielte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er ein wenig tiefer gelegt und mit ganz unterschiedlichen Gebäuden bebaut. Die Reisegruppe wundert sich, dass diese alte Stadtmitte nicht in die laufende große Umgestaltung der Stadt einbezogen wird.
Nach der Mittagspause lernt die Gruppe dann eine internationale, wissenschaftliche Seite Kiels kennen. Im GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung berichtet der Meeresgeologe Dr. Gerd Hoffmann-Wieck, wie von Kiel aus die Meeresböden und -lebewesen der ganzen Welt untersucht werden – ebenso wie der Einfluss der Erderwärmung auf die Ozeane. Mit Hilfe von Filmen und Bohrkernen und bei der Besichtigung von Tauchbooten geht er auch auf die Bedeutung von Bodenschätzen am Meeresgrund ein, z. B. auf Manganknollen oder Edelmetalle im Bereich der Black Smokers. Die Reisegruppe stellt dazu viele interessierte Fragen.
Auf der Rückfahrt sind die Teilnehmer/innen sich einig darin, dass Kiel zwar nur gut 60 Bahnminuten von Lübeck entfernt, aber schon „eine andere Welt“ ist.
03.06.2017 Bodo Fabian