Sammlung Kulturen der Welt
Chronologie
- 17. Jahrhundert
- Nachweisbarer Beginn der Sammeltätigkeit materieller Kulturgüter fremder Völker
- 1893
- Museum für Völkerkunde gegründet als Teil des Museums am Dom in der Trägerschaft der „Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit“
- 1942
- Zerstörung des Gebäudes Museum am Dom und von Teilen des Bestandes des Museums für Völkerkunde
- 1952–1969
- Auslagerung und leihweise Überlassung der Sammlung an das Hamburgische Museum für Völkerkunde
- 1969
- Rückführung der Sammlung in ein Magazingebäude in der Lübecker Altstadt
- 1972
- Beginn einer neuen Folge von Ausstellungen in Räumlichkeiten verschiedener Lübecker Museen
- 1984
- Umzug in das teilrestaurierte Zeughaus mit eigenen Ausstellungsflächen
- 1985
- Ausstellungshalle der Völkerkundesammlung im Erdgeschoss des Zeughauses eröffnet
- 1988
- Ausstellungsfläche im 1. Obergeschoss des Zeughauses eröffnet
- 2002
- Beschluss der Bürgerschaft, den Ausstellungsbetrieb in der Völkerkundesammlung einzustellen
- 2003 – 18. 3. 2007
- Trägerschaft der Gesellschaft für Geographie und Völkerkunde zu Lübeck e.V. für den Ausstellungsbetrieb
- 22. 4. 2007 –16. 9. 2007
- Ausstellung „Togo direkt“ in der Trägerschaft der Kulturstiftung
- 17. 9. 2007 – 2011
- Zeughaus / Völkerkundesammlung geschlossen
mit Ausnahme 1. 6. – 30. 7. 2008:
Ausstellung „ … aus Mexiko – Geschenke Lübecker Bürger“ in der Trägerschaft der Kulturstiftung -
Entwicklung:
Die Anfänge der Lübecker Völkerkundesammlung finden wir im späten 17. Jahrhundert (u.a. Kunstkammer des Jacob von Melle). Bis 1887 war die Sammlung, seit 1831 unter der Ägide der Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit (künftig „Gemeinnützige“), Teil der Kulturhistorischen Sammlung.
Durch ein Legat des 1878 verstorbenen Kaufmanns Georg Ludwig Blohm (Mitglied der Gemeinnützigen) und die Zusicherung der Gemeinnützigen selbst einen namhaften Betrag beizusteuern, sah sich Lübeck in der Lage 1887 den Bau eines neuen Museums am Dom zu beschließen. Im Rahmen der Neubauplanung fasste man die völkerkundlichen Sammlungsbestände zu einer eigenständigen Abteilung zusammen. Am 16.5.1893 eröffnete das Museum für Völkerkunde im neuen Museumsbau am Dom. Es wurde damit als ein eigenständiger und wesentlicher Teil der jahrhundertealten Bestände der Lübecker Museumssammlungen gewürdigt. Stadt und Gemeinnützige regelten, dass die Stadt als Eigentümerin des Gebäudes für die bauliche Unterhaltung zuständig war und die Gemeinnützige weiter die im Museum untergebrachten Sammlungen verwaltete.
Unter Prof. Dr. Richard Karutz, der das Museum von 1896 bis 1921 leitete, erlebte es einen wissenschaftlichen Aufschwung und fand einen anerkannten Platz in der deutschen Museumslandschaft.Mit Vertrag vom 26.3.1934 übergab die Gemeinnützige alle ihre Sammlungen der Stadt Lübeck. Sie sicherte jedoch die Sammlungen durch die im § 4 des notariellen Vertrages enthaltene Klausel:
„ ….. Demgemäß sollen insbesondere wesentliche Teile der Sammlungen nur im Interesse der Museen und nicht lediglich aus wirtschaftlichen Gründen veräußert sowie aus irgendwelchen Gründen aus lübeckischen Sammlungen entfernt oder ihrer Bestimmung entzogen werden.“Mit der Zerstörung des Museumsgebäudes am Palmsonntag 1942 kam die erfolgreiche Arbeit des Museums zu einem abrupten Ende. Obwohl die Sammlung durch den Bombenangriff erhebliche Schäden erlitt, konnten doch 80 % der Objekte gerettet werden.
Nach einer provisorischen Zwischenlagerung wurde durch Bürgerschaftsbeschluss die gesamte Sammlung 1952 in das Hamburgische Museum für Völkerkunde zur sachgerechten Lagerung und wissenschaftlichen Bearbeitung als Leihgabe überführt. 1969 kündigte Hamburg den Vertrag. Der Direktor des Hamburger Völkerkundemuseums, Prof. Dr. Hans Fischer, gestand ein, dass die Sammlung so kostbar sei, dass Hamburg sie nicht kaufen könne.
Der Lübecker Senat beschloss im April 1969 die Rückführung der Sammlung. Erleichtert wurde ihm die Entscheidung durch ein Legat des Lübecker Kaufmanns Ad. Christern, mit dem er DM 50.000.- für Zwecke der Völkerkundesammlung zur Verfügung stellte. Erheblichen Anteil an der positiven Entscheidung hatten Gerhard Gaul (der sich als Direktor der Gemeinnützige bereits 1960 bei seiner Tischrede zum 171. Stiftungsfest mit Nachdruck für ein neues Völkerkundemuseum in Lübeck ausgesprochen hatte) und August Heine als damaliger Kultussenator.
Die Sammlung wurde in einem Gebäude in der Dr.-Julius-Leber-Str. 67 magaziniert.Der Kulturausschuss beschloss im Dezember 1977 die Sammlung der Öffentlichkeit wieder als Museum zugänglich zu machen.
Eine konkretere Realisierung ergab sich jedoch erst, nachdem Rudolfo Groth, der große Lübecker Mäzen, auf Vorschlag des damaligen Bürgermeisters Dr. Robert Knüppel DM 500.000,- für die Restaurierung des Zeughauses zur Nutzung für kulturelle Zwecke zur Verfügung gestellt hatte. Dieser Betrag wurde durch Testament Rudolfo Groths 1985 noch einmal um DM 200.000,- erhöht. DM 550.000,- kamen als Zuschuss vom Land Schleswig-Holstein.1984 zog die Völkerkundesammlung in das Zeughaus und 1985 und 1988 konnten die beiden Ausstellungsstockwerke eröffnet werden.
2002 Beschluss der Bürgerschaft, den Ausstellungsbetrieb der Völkerkunde-sammlung aus finanziellen Gründen einzustellen.
2003 schlossen sich der seit 1998 bestehende Freundeskreis der Völkerkundesammlung und die traditionsreiche Geographische Gesellschaft zur Gesellschaft für Geographie und Völkerkunde zu Lübeck e.V. zusammen. Ziel des Zusammenschlusses war eine Bündelung der Kräfte, um trotz des Schließungs-Beschlusses der Bürgerschaft die Völkerkunde zu unterstützen und im Zeughaus weiterhin den Ausstellungsbetrieb durchführen zu können. Dies geschah erfolgreich bis 2007. Die Neuausrichtung wurde von Lübecker Stiftungen intensiv begleitet und unterstützt. Mit ihrer Hilfe gelang es nicht nur den Museumsbetrieb aufrecht zu erhalten, sondern auch das sehr attraktive Angebot auszubauen. Aus der Vielzahl der Aktivitäten sollen an dieser Stelle nur die repräsentative Japan-Ausstellung im Jahr 2005 und die bei Schulklassen äußerst beliebte Ausstellung "Mädchen-Mädchen" (in Kooperation mit Plan international) erwähnt werden.
Für Besucher und Freunde der Völkerkunde kaum ersichtlich waren die finanziellen und personellen Erschwernisse, die sich durch die unzureichende personelle Grundausstattung des Hauses der Völkerkunde ergaben, mit denen der Verein als Träger der Ausstellungen zu kämpfen hatte. Es musste zunehmend improvisiert werden, obwohl dem Rang und Wert der Sammlung entsprechend ein professioneller Betrieb zu erwarten gewesen wäre. Die nicht mehr zu verantwortende Situation hatte den Vorstand und Beirat der Gesellschaft für Geographie und Völkerkunde dazu bewogen, unter Zuhilfenahme fachkundiger Beratung über die Zukunft des Hauses der Völkerkunde neu nachzudenken. Man sah sich auf einem guten Weg.
Die angespannte Haushaltslage der Stadt hat aber die Kulturstiftung Lübeck im Sommer 2007 dazu veranlasst, den alten Bürgerschafts-Beschluss von 2002 wieder aufzugreifen und die Schließung des Hauses der Völkerkunde zu verfügen.
Seit dieser Zeit versucht die Gesellschaft mit den unterschiedlichsten Aktionen die Wiedereröffnung der wertvollen Völkerkundesammlung zu erreichen.2012 verschärfte sich die Situation dadurch, dass die Stadt nicht nur die Ausstellungsräume im Zeughaus zu Klassenräumen für Gewerbeschüler umbaute (lt. Aussage von Frau Senatorin Borns in der Sitzung des Ausschusses für Schule und Sport am 15.3.2012 nur für eine vorübergehende Nutzung), sondern der Bürgermeister (erarbeitet von der Stabsstelle Konsolidierungskonzept) der Bürgerschaft eine Liste von Sparvorschlägen zur Beschlussfassung vorlegen wird, die den Verkauf von Magazinbeständen oder Dauerleihgaben der Völkerkundesammlung enthält.
Anmerkungen zum vorgeschlagenen Verkauf von Objekten der Völkerkundesammlung:
1. Der Vertrag zwischen der Stadt und der Gemeinnützigen von 1934 verbietet den Verkauf von Objekten der übergebenen Sammlungen aus rein wirtschaftlichen Gründen.
2. § 90 der Gemeindeordnung des Landes Schleswig-Holstein schreibt vor, dass über bewegliche Sachen, die einen besonderen wissenschaftlichen, geschichtlichen oder künstlerischen Wert haben nur mit Genehmigung der Kommunalaufsichtsbehörde verfügt werden darf.
3. Der Internationale Museumsrat (ICOM) stellt in einer Pressemitteilung vom 9.10.2006 fest: „Die öffentlichen Sammlungen unserer Museen sind das kollektive Eigentum der Nation, sie gehören allen Bürgern. Sie stehen nicht zur Disposition von Politikern und Haushältern, die finanzielle Löcher stopfen wollen“.
4. Staatsminister Bernd Neumann führte bei einer Rede zum 25-jährigen Bestehen des Deutschen Kulturrates folgendes aus: „Museen und andere Sammlungen sind die Schatzkammern unserer Zeit und unserer Gesellschaft, die wir für nachfolgende Generationen erhalten müssen. Das gehört zum Selbstverständnis einer Kulturnation. Einmal verkauftes Kulturgut ist in der Regel für die Öffentlichkeit unwiederbringlich verloren. Auch in Zeiten knapper Kassen und harter Sparvorgaben für die öffentliche Hand dürfen“. Museumsbestände nicht zum Opfer kurzsichtiger Haushaltspolitik werden.
5. Die Bestände der Völkerkundesammlungen sind ein sicherer Hort für unersetzliche Kulturgüter der verschiedensten Völker, die von Ethnologen und Reisenden vor der Vernichtung durch Kolonialismus und christliche Missionare bewahrt wurden. Gerade in heutigen Zeiten, wo in aller Welt wieder Kulturgüter aus ideologischen oder religiösen Gründen vernichtet werden wird den Völkerkundesammlungen auch aus den betroffenen Ländern immer wieder gedankt, dass ihre Kulturgüter hier bewahrt werden. Dieser Verpflichtung den Völkern gegenüber darf sich Lübeck nicht entziehen.
6. Ethnologische Objekte eröffnen in Zeiten der Globalisierung die Chance fremde Kulturen und Völker zu verstehen und zu erleben und leisten damit auch einen Beitrag zur Migrations- und Integrationshilfe. Diese Chance bietet sich in Schleswig-Holstein allein in Lübeck.
150 Objekte der Fang-Sammlung (Pangwe-Expedition von Günther Tessmann).
Altägypten-Sammlung mit einer Mumie des 26. Dynastie
Madagaskar- und San-Sammlungen.
Asien: Ca. 8.700 Objekte
Einzigartig: Zentralasien-Sammlung (Ergebnis von 3 Forschungsreisen von Karutz)
China-Sammlung
Objekte aus buddistischem Themenkreis (Bildwerke aus Thailand, chinesische und japanische Objekte)
Afrika: Knapp 7.000 Objekte.
Einzigartig:
Jüdische Sammlung von Julius Carlebach
Südtirol-Sammlung
Lt. Karutz handelt es sich um die wertvollste Abteilung der Sammlung.
Amerika: Ca. 5.000 Objekte
Einzigartig:
Ca. 150 Objekte der Inuit-Sammlung
Ausrüstung des Navajo-Medizinmannes Benet Toehe (Schenkung des Sammlers Horst Antes aus dem Jahre 2000)
Chaco- und Mundurucú-Sammlung
Archiv: 8.000 Fotos, Tagebücher, Briefe, Postkartensammlung, 10.000 Bücher und Zeitschriften etc.
Einzigartig:
Zwölf Tagebücher von Günther Tessmannn, die zur Zeit durch Förderung der Deutschen Forschungsgesellschaft und in Zusammenarbeit mit dem Frobenius-Institut der Universität Frankfurt digitalisiert, erschlossen und publiziert werden.